Buchhandlung Neugebauer

Rezensionen

Kostbare Tage
 

Schmiesen


Die Hoffnung siegt

"Ihr Bestes könnte nicht gut genug sein. Das ist meine Frau. Sie bedeutet mir alles auf der Welt."

Dad Lewis' letzter Sommer bricht an. Sein Krebs hat sich verschlimmert, mit jedem Tag wird er schwächer. Seine Frau Mary und Tochter Lorraine kümmern sich liebevoll um ihn, und auch die Nachbarin Berta und ihre kleine Enkelin Alice spenden Trost. Der neue Gemeindepfarrer Lyle bringt Unruhe nach Holt, wird aber für Familie Lewis zu einem wichtigen Gast. Doch wie jeder Mensch hat auch Dad Lewis Entscheidungen getroffen, die er bereut - und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als in fiebrigen Wachträumen mit seinem Sohn Frank, den er seit Jahren nicht gesehen hat, Kontakt aufzunehmen.

Kent Harufs kleinstädtisches Universum ist so wenig aufregend, wie es sich anhört. Holt, eine fiktive Stadt mitten in den Great Plains, ist der Inbegriff des "Dorflebens". Jeder weiß (vermeintlich) alles über jeden, jeder hat eine Meinung zum Leben der anderen, nichts bleibt verborgen. Aber dieses Bild hat auch seine Kehrseite, denn die Menschen sind auf eine Art und Weise bereit, einander beizustehen, wie man es in einer Großstadt niemals erleben würde. So kann Dad Lewis seinen letzten Sommer in Frieden mit seiner geliebten Frau Mary und der Tochter Lorraine verbringen.

Und auch andere Bewohner Holts stehen der Familie liebevoll zur Seite: Berta und die kleine Alice, Willa und Alene Johnson, Pfarrer Lyle. Alle diese Menschen haben ihr eigenes Päckchen zu tragen, und in kleinen Geschichten zeigt Haruf uns Ausschnitte aus der Vergangenheit dieser Personen, lässt uns teilhaben an ihren Sehnsüchten und Wünschen. Nach und nach offenbaren sich so Geheimnisse und Ereignisse, die die einzelnen Personen bedauern oder bereuen, bisweilen aber auch nie verwunden haben und seither mit einem Schmerz leben müssen, der schlichtweg zum Leben dazugehört.

Für Familie Lewis ist der größte Verlust wahrscheinlich Sohn Frank, der als Homosexueller in der Kleinstadt gebrandmarkt war und auch von seinem Vater vor allem Ablehnung erfahren hat - so jedenfalls verstehe ich die subtilen Gespräche und Gedanken. Der Kontakt zu Frank ist abgebrochen, und Dad Lewis bleibt keine andere Wahl, als ihn sich herbeizufantasieren. In diesen fiebrigen Phantomgesprächen erfahren wir viel über Dads innere Zerrissenheit, seine heftigen Schuldgefühle und seine Reue. Doch am Ende ist eines sicher: Fehler begehen wir alle, und Dad Lewis ist und bleibt ein wunderbarer Mensch mit einem guten Herzen.

Auch alle anderen Figuren haben sich meine Sympathie mehr als verdient. Sie alle sind vom Leben gebeutelt, stützen sich aber gegenseitig und geben einander Hoffnung. So hat die kleine Alice ihre Mutter verloren und lebt jetzt bei ihrer Oma Berta, und Lorraine sowie Willa und Alene Johnson nehmen sich des kleinen Mädchens mit sanfter Zuneigung an. Sie buhlen nicht um ihre Aufmerksamkeit, sondern schenken sie ihr ganz ungezwungen, und unterschwellig spürt man, wie Alice langsam fröhlicher wird. Und natürlich tut auch diesen einsamen, vom Schicksal geschlagenen Frauen der Umgang mehr als gut.

Es ist von Anfang an klar, dass das Buch mit einer traurigen Sterbeszene enden wird, aber so intensiv habe ich mir das nicht vorgestellt. So nah habe ich glaube ich noch nie eine Buchfigur bis zum Tod begleitet. Für mich war das mehr als real, ich konnte die tiefe Traurigkeit spüren, die Mary später überfällt, ich konnte aber auch Dads Ungläubigkeit darüber wahrnehmen, dass er plötzlich einfach nicht mehr da sein wird. Das ist das Unbegreifliche am Tod: 'Ich werde dann nicht mehr sein.' Darüber habe ich Bedauern und Traurigkeit verspürt. Aber gleichzeitig geht das Leben weiter, in Form eines jungen Mädchens auf einem Fahrrad.

Wie immer erzählt Haruf sehr berührend und mit einer unübertrefflichen Ruhe aus dem alltäglichen Leben der Bewohner von Holt. Traurigkeit und Hoffnung halten sich in seinen Geschichten immer die Waage - bis am Ende die Hoffnung gewinnt.

Amena25


Kostbare Lektüre


,,Tja, das war's dann", sagt Dad Lewis nach seiner Krebsdiagnose zu seiner Frau Mary. Ihre Antwort lautet: ,,Ich möchte nicht, dass du schon gehst." So undramatisch, fast sachlich erzählt Kent Haruf vom letzten Sommer, den Dad Lewis in der fiktiven Kleinstadt Holt in der Nähe von Denver erlebt. Dabei lässt gerade die lakonische und sachliche Erzählweise dem Leser viel Raum für Emotionalität, die dadurch, dass sie nicht explizit ausgedrückt wird, umso eindringlicher wirkt.
Dad Lewis verlebt seine letzten Wochen und Tage mit seiner Frau Mary und der Tochter Lorraine, die zur Unterstützung ihrer Eltern nach Holt zurückkehrt. Dad Lewis sitzt auf der Terrasse, schaut auf die vertraute Landschaft, die Nachbarhäuser, bekommt Besuch von seinen Angestellten, den Nachbarn oder dem neuen Reverend, der mit seinen Ansichten keinen leichten Stand in der Gemeinde hat. Diese eigentlich alltäglichen Begegnungen bekommen eine besondere Bedeutung, da es vielleicht letzte Begegnungen sein werden. Auch diese Szenen werden unaufgeregt geschildert, Dad Lewis' Krankheit wird von allen, vor allem von ihm selbst, recht sachlich, aber knapp thematisiert. So bleibt ihm Zeit, noch offene Angelegenheiten zu klären. Lorraine und Mary fahren mit ihm noch einmal durch die kleine Stadt und besuchen Orte, die Dad Lewis noch einmal sehen möchte. So kann er Erinnerungen aufleben lassen und gleichzeitig Abschied nehmen. Sehr bewegend fand ich, wie liebevoll und vertraut die Familie und insbesonders auch die Eheleute miteinander umgehen. Allerdings beschäftigen Dad Lewis auch unangenehme Gedanken und Träume. Zu seinem Sohn Frank hat er nach einem bösen Streit seit Jahren keinen Kontakt mehr. Auch Marys Suche nach dem ,,verlorenen Sohn" verläuft erfolglos. Und so spricht Dad Lewis in den stillen Nachtstunden mit ihm und auch mit seinen verstorbenen Eltern.
Wie in den anderen Romanen von Kent Haruf gibt es Nebenfiguren und mit ihnen neue Geschichten. So zieht z.B. die kleine Alice im Nachbarhaus ein. Nach dem Tod ihrer Mutter lebt sie nun bei ihrer Großmutter. Ihre Jugend verleiht der teils doch sehr melancholischen Stimmung einen zarten Hoffnungsschimmer.
,,Kostbare Tage" ist keine leichte Lektüre, sondern ein berührender und vielschichtiger Roman über Liebe, Vertrauen und Lebensfreude, aber auch über Kummer, Abschied, Sterben und Fehler im Leben, die nicht immer wiedergutzumachen sind.

skiaddict7


Was am Ende zählt

"Dad" Lewis hat nur noch wenige Wochen zu leben. Er hat Krebs im Endstadium. Mit dieser Nachricht fahren seine Frau und er zurück in die Kleinstadt Holt auf den Colorado Plains. Tochter Lorraine wird informiert und kehrt nach Hause zurück, um bei den Eltern zu sein. Mit dem Sohn besteht schon jahrelang kein Kontakt mehr. Und so reflektiert "Dad" sein Leben: das Aufwachsen, das Kennenlernen der Liebe seines Lebens, seine Arbeit, seine Entscheidungen und Versäumnisse... Währenddessen zieht nebenan die achtjährige Alice ein, die ihre Mutter verloren hat und fortan mit ihrer Großmutter lebt. Ohne es zu merken, bringt sie neues Leben in die Kleinstadt und Lorraine und zwei alten, kinderlosen Frauen neue Lebensfreude.

Haruf schreibt in gewohnt ruhiger Manier über die wichtigsten Dinge im Leben. Am Ende sind es vor allem die Menschen in unserem Leben, die zählen. Haruf schafft es, den Leser mit seinem unaufgeregten und nüchternen Stil mitten ins Herz zu treffen. Ein kleines, ruhiges, und wichtiges Büchlein, welches ich mit vollem Herzen empfehle.

Bibliomarie


Jeder Tag ist kostbar

Wieder lässt der Autor den Leser am Leben der amerikanischen Kleinstadt Holt teilhaben. Im Mittelpunkt steht der Dad Lewis, sein ganzes Leben Eisenwarenhändler im Städtchen. Sein Leben geht nun zu Ende. In den letzten Tagen sind seine Frau Mary und seine Tochter Lorraine an seiner Seite, auch Nachbarn und Freunde begleiten ihn.

Von ihren Wünschen und Enttäuschungen erzählt dieses Buch. Immer in einer nur vordergründig einfachen Sprache. Aber das ist die große literarische Kunst des viel zu früh verstorbenen Autors.

Mit großer Empathie begegnet Haruf seinen Protagonisten und das hat mich tief berührt und ich bin sicher, kein Leser wird sich diesem Buch ganz entziehen können. Wenn der immer schwächer werdende Lewis sich an glückliche Zeiten und große Enttäuschungen erinnert, wenn er den Bruch mit seinem Sohn bedauert und sein Leben Revue passieren lässt, bin ich ganz an seiner Seite.

Wie immer in den Holt-Romanen erzählt der Autor auch episodenhaft von Menschen, die im Ort leben und ihn prägten. Da ist die alte Dame, die ihr verwaistes Enkelkind aufnimmt, die ältliche Lehrerin, die nach einer großen Enttäuschung wieder bei der Mutter lebt und alle finden allmählich zu einem inneren Frieden.

Auch zeitgeschichtliches klingt an, wenn der Pfarrer vom Lucas-Evangelium predigt und den Friedensgedanken in den Vordergrund rückt, wo die meisten Bürger dem beginnenden Irak-Krieg voller Patriotismus sehen.

Ich habe schon andere Bücher des Autors gelesen und auch wenn ich einen anderen Favoriten habe, so ist es doch ein Buch das sich unbedingt zu lesen lohnt.

Nele33


Gelungen und berührend

Kostbare Tage ist der Abschlussband zu der Serie um die fiktive Kleinstadt Holt in Colorado des leider schon verstorbenen Autors Kent Haruf.

Ich muss gestehen ich bin ein großer Fan dieser Reihe im Episodenstil, obwohl Episodengeschichten nicht so mein Lieblingsstil ist. Endlich wieder in Holt angekommen, der Stadt mit dem endlosen Himmel und ihren besonderen und doch so normalen Bewohnern.
Dad Lewis wird sterben, der Krebs wird gewinnen. Äußerst poetisch und feinfühlig versteht es Kent Haruf die letzte Zeit des sehr eigenständigen Mannes, der so manche Lebensentscheidung in dem Buch überdenkt zu schildern.
Mary, seine Frau wird von ihrer Tochter Lorraine bei der Pflege unterstützt. Aber Holt wäre nicht Holt, wenn nicht auch Berta und die kleine Alice, Willa und Alene Johnson genauso wie Pfarrer Lyle die Familie tatkräftig und liebevoll unterstützen würden. In den einzelnen Kapiteln erfahren wir von den Päckchen der anderen Bewohner des Dorfes, in dem jeder Jeden kennt und meint schon alles von seinem Gegenüber zu wissen.

Mich hat dieses Buch sehr berührt, merkte beim Lesen allerdings, dass die anderen Bände bekannt sein sollten um den gesamten Zusammenhang verstehen zu können. Holt und seine Bewohner sind sehr vielschichtig und ohne Vorkenntnisse kommt die Botschaft des Buches wahrscheinlich nicht so beim Leser an. Klare Leseempfehlung*****


la_stellina


Unaufgeregte, detailreiche Erzählung über den letzten Sommer eines Mannes

Kostbare Tage sind die Sommertage für den an Lungenkrebs erkrankten Dad Lewis, denn es wird sein letzter Sommer, in der fiktiven Kleinstadt Holt, irgendwo im Mittleren Westen der USA, sein. Gepflegt und unterstützt wird er bis zum letzten Tag von seiner Frau Mary. Als sein Zustand immer schlechter wird kommt auch die gemeinsame Tochter Lorraine nach Hause um zu unterstützen. Nur ihr Bruder Frank, der sein Elternhaus, aufgrund seiner vom Vater nicht akzeptierten Homosexualität verlassen hat, kehrt nicht nach Hause zurück. Dad sinniert im Laufe der Zeit über sein Leben, das im Großen und Ganzen ein sehr glückliches war, von ein paar Episoden abgesehen. Auch die Nachbarinnen Berta May mit ihrer achtjährigen Enkelin Alice und Willa mit ihrer Tochter Alene besuchen und begleiten Dad regelmäßig in seinen letzten Tagen. Zwischendurch erfährt der Leser auch mehr über deren Leben und ihre Schicksalsschläge.
Der Erzählstil Harufs passt zur Story und seinen Beschreibungen über die weite Landschaft Holts und der Langsamkeit der Kleinstadt.
"Kostbare Tage" kann als Buch über das Loslassen und Abschiednehmen beschrieben werden. Es kommt jedoch gänzlich ohne Theatralik und Resignation aus. Ich empfand es als tröstlich und es hat mich trotz der eher unaufgeregten und etwas vorhersehbaren Handlung dennoch bis zur letzten Seite nicht losgelassen.

Maxie Bantleon


Kostbare Tage

Endlich ein neues Buch von Kent Haruf, und endlich konnte ich in die kleine Stadt in der endlosen Weite Colorados zurückkehren. Auch dieses Mal scheint die Zeit in Holt irgendwie stehengeblieben zu sein. Und das schöne ist, dass es zumindest für mich immer etwas unklar bleibt, zu welcher Zeit Haruf seine Romane eigentlich spielen lässt. Es könnte in den 1950er Jahren sein genauso wie zwanzig oder dreißig Jahre später, aber ein kleiner Nebensatz verrät, dass die letzten Tage für Dad Lewis Monate? Jahre? nach dem 11. September 2001 anbrechen.
> Es ist ein anrührendes, ein zärtliches Buch über die letzten Wochen im Leben eines alten, schwerkranken Mannes. Und während Dad Lewis' Leben zu Ende geht, geht das Leben für seine mitfühlenden Nachbarinnen, seine herzensguten Angestellten Bob und Rudy, seine geliebte Frau Mary und die Tochter Lorraine weiter. Und für die kleine Alice von nebenan beginnt es sogar erst so richtig. Kent Haruf hat die besondere Gabe, mit wenigen Worten ganz schlichte, dabei aber nie einfache Menschen zu zeichnen, die einem beim Lesen alle sehr ans Herz wachsen und an deren Leben und Schicksalen man mit jeder Seite mehr immer stärkeren Anteil nimmt. Legendär sind für mich auch seine kurzen, pointierten Dialoge. Die Leute in Holt machen meistens nicht viele Worte, sagen aber doch eine ganze Menge. Beispiel gefällig? "Fang jetzt nicht damit an." -- "Ich habe mit gar nichts angefangen." -- "Und rede nicht in diesem Ton." -- ""Welchem Ton?" -- "Und stell dich nicht so blöd."
> Das schönste war jedoch für mich, dass man durch ein kurzes Gespräch zwischen Dad und Lorraine erfährt, was eigentlich aus Victoria Roubideaux und ihrer kleinen Tochter Katie, die einst so liebevoll von den großartigen McPheron-Brüdern aufgenommen wurden, geworden ist. Und da weiß man dann, dass die Zeit in Holt doch weitergeht.

Petris


Eine neue Episode aus Holt

Es sind wahrhaft kostbare Tage für Dad Lewis, denn es ist sein letzter Sommer, er hat Krebs im Endstadium. Die Schmerzen hat er im Griff, aber die Kraft wird weniger. Diesen letzten Sommer verbringt er mit seiner Frau Mary und auch die gemeinsame Tochter Loraine ist zurück in die Kleinstadt Holt gekommen, um diese kostbaren Tage mit ihrem Vater zu verbringen und vielleicht auch, um hier zu bleiben und einen Schlussstrich unter ihr altes Leben zu ziehen, das seit dem Unfalltod ihrer Tochter nicht mehr glücklich werden kann.
Das klingt nach unglaublich trauriger Geschichte, ist es auch, aber gleichzeitig ist es eine Geschichte voller Hilfsbereitschaft, Zusammenhalt und Hoffnung. Die Familie Lewis macht etwas aus diesen kostbaren Tagen, an ihrer Seite die Nachbarn und Freunde. Und in all der Trauer bleibt auch noch Platz für das kleine Nachbarmädchen, deren Mutter an Brustkrebs gestorben ist und die nun nicht nur von ihrer Großmutter umsorgt wird, sondern auch von Mary und Loraine und ihren Freundinnen Willa und Alene.
Wie immer bei Haruf tauchen auch wieder alte Bekannte aus anderen Episoden auf, unter anderem werden das alte Brüderpaar McPheron und die junge Frau, die sie aufgenommen haben, erwähnt (aus „Lied der Weite“). Man wartet beim Lesen schon richtig auf den ersten bekannten Charakter, irgendjemand erkennt man immer!
Kent Haruf hat mit seinem fiktiven Holt eine typische amerikanische Kleinstadt geschaffen. Die Menschen sind nicht viel herumgekommen, sie sind oft bigott und kleinlich, alles andere als liberal, mit Menschen, die anders sind, die kritisch sind (in „Kostbare Tage“ bekommt der Pfarrer Lyle sein Fett ab), tun sie sich schwer. Und dennoch gibt es ganz viele liebenswerte Menschen, die zusammenhalten, die da sind, wenn sie gebraucht werden, die Menschen beim Sterben nicht allein lassen, die Sorgen und Leid erleben und dennoch noch offen bleiben für andere.
Hier hat Haruf auch wunderbar beschrieben, wie es ist, jemand beim Sterben zu begleiten, wie sich Trauer und Abschied anfühlen. Und das macht er wie immer ganz schlicht und unaufgeregt, dabei hochliterarisch und unglaublich berührend. Ein wunderbarer Autor!
Kent Haruf muss man einfach lesen. Wie schön, dass er vom Diogenes Verlag übersetzt und verlegt wird. Ich habe jeden einzelnen Titel von ihm geliebt, aber „Kostbare Tage“ ist mein bisheriger Liebling.

CanYouSeeMe


Ein letzter, leiser Sommer

Auch dieser Roman vom Autor Kent Haruf spielt in der fiktiven Kleinstadt Holt. Alle Romane des Autors spielen dort, so dass sich die einzelnen Geschichten lose berühren, auch in diesem Buch wird man alte Bekannte wiederfinden, wenn man die weiteren Bücher des Autors kennt.
Die Story um Dad Lewis ist nicht von viel Spannung oder überraschenden Wendungen geprägt - eher plätschert sie bedächtig und ruhig vor sich hin, nimmt den/die Leser/in mit auf eine bedächtige und melancholische Reise. Die Handlung umfasst jedoch nicht nur das langsame Ableben des Familienvaters Dad Lewis, sondern wirft auch einen Blick auf die Leben anderer Bewohner/innen der Stadt. Zentraler Punkt ist jedoch Dads Leben, das er im Sterbebett mehr oder minder reflektiert und mit Vergangenem hadert.
Der Autor schafft es das alltägliche Leben sehr klar und treffsicher darzustellen, nichts wirkt übertrieben oder maßlos, eher im Gegenteil. Die Sprache ist sehr ruhig und gesetzt. Die Beschreibungen sind beinah schon minimalistisch, dafür umso pointierter.
Die Charaktere wirken sehr realistisch und authentisch, das gesamte Setting ist sehr lebensnah. Die Handlung springt teilweise zwischen den Charakteren hin und her, es gibt nicht immer fließend Übergänge - mich hat das beim Lesen jedoch nicht gestört.
Eine weitere Besonderheit ist der Verzicht auf "Gänsefüßchen" in der wörtlichen Rede, was meinen Lesefluss zumindest auf den ersten Seiten ein wenig eingeschränkt hat. Ich konnte mich jedoch schnell daran gewöhnen und habe diesen Umstand nicht als zu störend wahrgenommen.
"Kostbare Tage" war für mich im Gesamten eine sehr emotionale und melancholische Begleitung eines Sterbenden und dessen Familie und Begleiter. Die Handlung war leise und gerade dadurch sehr lebendig.

Petra


Erinnerungen

Klappentext
Es ist der letzte Sommer für Dad Lewis am Rand der Kleinstadt Holt – die er nie verließ, im Gegensatz zu seinem Sohn Frank, zu dem es keinerlei Kontakt mehr gibt, oder Tochter Lorraine, die nun zur Unterstützung zurückkehrt. Aber es kommen auch neue Gesichter und mit ihnen Geschichten: Die kleine Alice zieht im Nachbarhaus bei ihrer Großmutter ein, und der neue Reverend Lyle hat nicht nur mit den eigenwilligen Anwohnern, sondern auch mit der eigenen Familie zu kämpfen.
Meinung
Ich war schon öfter in dieser kleinen Stadt in den USA und freue mich jedesmal neue Bewohner kennen zulernen. Alte Menschen, Junge oder Kinder ganz egal jeder Mensch ist besonders, wenn man ihn durch die Augen von Kent Haruf betrachtet. Sie sind keine Heiligen, auch keine Verbrecher oder irgendwie anders auffallend. Sie sind Menschen mit einem normalen Alltag und einem normalen Familienleben, sie haben Probleme, Sorgen und auch Freude und Glück. Man sollte denken, das habe ich auch in meiner eigenen Familie oder meinem Bekanntenkreis. Nur mit soviel Wärme und respektvoller Distanz wie der Autor das Leben beschreibt hat man es eben nicht. Selber steht man mitten drin, hier kann man sich zurück lehnen, sich freuen, sich ärgern, weinen und alles was man sonst unterdrückt weil man niemanden verletzen möchte.
Trotz des allgegenwärtigen Todes von einem der Hauptpersonen ist es ein freundliches, glückliches Buch und ich freue mich schon auf meine nächste Reise nach Holt Colorado USA.