Buchhandlung Neugebauer

Rezensionen

Palast der Miserablen
 

Petris


Alltag im Irak Saddam Husseins

Sham Hussein ist ein kleiner Junge aus dem Süden des Iraks. Sein Land ist geprägt von Kriegen, von denen sie aber im Süden relativ unbehelligt bleiben. Doch dann kommt der Einmarsch in Kuwait, sein Vater wird verwundet, die Situation immer unsicherer und die Familie geht nach Bagdad. Der Neuanfang dort ist schwer, Wohnraum rar, so errichten sie eine Hütte im Blechviertel am Rande einer Mülldeponie. Mit viel Fleiß und Witz arbeiten sich die Eltern hoch, ihre Kinder gehen zur Schule, daneben arbeiten sie. In einem korrupten, von Kriegen und einem gewalttätigen Herrscher geführten Land ist das Glück aber nie von langer Dauer. Immer und immer wieder beginnen sie von vorne, Embargo und Willkür machen das Leben schwer. Sham entdeckt seine Liebe zu Büchern und zur Literatur. Allerdings sind selbst Worte gefährlich, vor allem, wenn es sich um verbotene Bücher handelt. Es ist ein Leben voller Gefahr, voller Gewalt und dennoch immer wieder voller Lebenslust.
Den Rahmen der Geschichte bildet Shams Bericht aus dem Gefängnis, damit wissen wir, dass es für ihn nicht gut ausgegangen ist, in Rückblicken erzählt er aus seiner Kindheit im Dorf, aus seiner Jugend und seinem jungen Erwachsenenleben. Bis zum Schluss hofft man, dass er der Hölle des Gefängnisses entfliehen wird können, mit Spannung verfolgt man, wie er überhaupt dahin gekommen ist.
Es ist ein bedrückender Roman, erzählt wird ein Leben, wie es völlig unvorstellbar ist und sicher kein Einzelfall war. Ich kann mich noch gut an die Irak-Kriege, an Berichte über Saddam Hussein erinnern, was das für den Alltag der Menschen bedeutete, davon hatte ich keine Ahnung. Abbas Khider lässt diesen Alltag hier lebendig werden. Er erzählt spannend, man leidet mit Sham mit und wünscht sich ein Happy End für ihn.
Sprachlich ist die Geschichte großartig erzählt, voller Literatur und Poesie, eine Parallelwelt im harten Alltag des Protagonisten. Geschichtlich und thematisch ist das Buch unglaublich spannend, da es viele für mich ganz neue Themen aufgegriffen hat und mir auch eine neue Sichtweise der Irakkriege bzw. des Lebens mit dem Embargo aufgezeigt hat.
Ein sehr gelungener, spannender und gut erzählter Roman. Allerdings keine leichte Kost. Mich hat er überzeugt!

HEYNi Tanja Zwiener




Ein Leben im Blechviertel Bagdads - nicht nur die klare, eindringliche Sprache hat mich begeistert, auch die Atmosphäre nahm mich so gefangen wie die Figuren mir unvergessen bleiben werden. Ein besonderes Leseerlebnis!

Miro76


Vom Blechviertel an die Universität, oder wie Träume zerplatzen

Shams Hussein ist im Süden, den shiitischen Teil des Iraks aufgewachsen. Seine Erzählung beginnt während des Krieges zwischen Iran und Irak. Auf dem Land bekommen sie vom Krieg vorerst nicht viel mit. Doch das sollte sich ändern, als der Iran Kuwait überfällt.

Schams' Vater wird in diesem Krieg verwundet und will auf keinen Fall weiter als Soldat dienen. Deshalb verlassen sie den Süden in der Hoffnung auf ein besseres Leben in Bagdad. Doch Bagdad platzt aus allen Nähten und es gibt viele, die auf der Suche nach einer Bleibe und Arbeit sind. So bleibt ihnen nichts anderes übrig als im Blechviertel, quasi auf der Müllhalde, eine Hütte zu bauen und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten.

Sahms und seine Schwester dürfen allerdings in die Schule gehen. Sie sollten es einmal besser haben. Doch so einfach ist das nicht unter einem tyrannischen Herrscher, der nur sein eigenes Wohlergehen in Blick hat.

Immer wieder muss die Familie bei Null beginnen, doch sie verlieren nicht den Mut. Shams lernt und arbeitet fleißig, um seinen Anteil an der Versorgung beizutragen. Bis auch er einen Fahler macht.

Wir wissen von Anfang an, dass etwas schiefgeht auf diesem Lebensweg, denn Shams erzählt uns aus seinem schrecklichen Alltag im Gefängnis. Zwischen den Kapiteln erfahren wir immer wieder, wie es um seinen schwer geschundenen Körper steht. Was ihn ausmacht, ist längst aus ihm herausgeprügelt. Diese kurzen Episoden sind hart und lassen wenig Raum für Hoffnung, obwohl sein Lebensweg so vielversprechend schien.

Ich habe dieses Buch mit großem Interesse gelesen. So vieles am Leben der einfachen Leute im Irak war mir nicht bewusst. Wieder einmal hat ein Buch meinen Horizont erweitert.

Stilistisch fand ich die Leistung des Autors auch großartig, denn die Erzählweise verändert sich mit dem fortschreitenden Alter von Shams. Erzählt er anfangs noch eher kindlich, wie es ein Zehnjähriger machen würde, werden seine Beobachtungen und Gedankengänge mit dem älter werden immer differenzierter.

Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung für alle, die sich für die neuere Geschichte des Nahen Ostens interessieren.

yellowdog


Eine Jugend im Irak

Abbas Khider ist ein auf Deutsch schreibender Autor, der im Irak geboren wurde. Seine Romane haben mich stets berührt. Seine neues auch.
Palast der Miserablen ist meiner Meinung nach ein großer Wurf. Der Autor erzählt vom Aufwachsen und Leben im Irak.
Für die meisten von uns ist es eine fremde Welt. Dieses Buch erlaubt einen Einblick.

Zu so einer Jugend im Irak gehören auch die menschenfeindliche Diktatur eine Sadam Hussein und die Bomben des Bush.
Dann versucht die Familie von den Jungen Sham in Bagdad Fuß zu fassen. Das ist nicht einfach. Es wird auch ein gutes Portrait von Shams Vater und Mutter und seiner selbstbewussten Schwester.

Das Buch erzählt außerdem von leidvoller Gefangenschaft. Das sind düstere Abschnitte.
Die Handlung wechselt zwischen diesen beiden Eckpunkten.

Abbas Khider lässt sich Zeit beim Erzählen. Mit der Zeit entwickelt sich die Handlung und der Roman entfaltet sich. Man spürt, dass der Autor lange an dem Buch gearbeitet und alles gegeben hat.

Stephan Lauf




Was für ein Buch!

Bagdad, das Blechviertel, ein Slum am Rande der Stadt. Einer der Plätze, wo man definitiv nicht seine Jugend verbringen will. Unser Protagonist, Shams Hussein, wächst hier heran und gewährt uns einen tiefen Einblick in die irakische Gesellschaft, wie sie funktioniert, beziehungsweise nicht funktioniert.
Dieses Buch fliest dahin, fein gezeichneten Charaktere, eine durchaus heitere Familiengeschichte, die aber regelmäßig unterbrochen wird bis sie förmlich explodiert.

Eine drastisches Stück Literatur, das Sie noch lange beschäftigen wird. Unheimlich lesenswert!

Florian Lechner


Palast der Miserablen

Shams wächst zur Zeit des Irakkriegs im hauptsächlich von Schiiten bewohnten Südirak auf. Als die Repressalien des Saddam Regimes zunehmen, entscheidet sich die Familie, in Bagdad unterzutauchen. Dort bauen sie sich eine Blechhütte in einem neuen Slumviertel und kämpfen sich durch den Alltag. Shams hat das Glück, ein guter Schüler zu sein, und so muss er nicht zum Militär. Bald entdeckt er die Faszination der Bücher und wird in einen Zirkel von Literaturenthusiasten aufgenommen - man trifft sich wöchentlich im Palast der Miserablen, und Shams übernimmt bald einen Bücherstand am Straßenmarkt des Bücherviertels. Dass dies auch mit erheblichen Gefahren verbunden ist, muss er bald am eigenen Leib erfahren. Abbas Khider erzählt feinfühlig und humorvoll eine Alltagsgeschichte unter erschwerten Bedingungen. Man lacht und weint mit den ProtagonistInnen und hofft auf ein gutes Ende, doch bald muss man einsehen, dass unter den gegebenen Bedingungen der Optimismus fehl am Platz ist. Ein großartig erzählter Roman voll lebendiger Charaktere - unbedingte Empfehlung!