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Rezensionen

All das zu verlieren
 

MiriamBrandl


Abgründe

„All das zu verlieren“ war Leila Slimanis Debütroman. Das französische Original erschien bereits 2014, die Übertragung ins Deutsche folgte erst 2019.

Die Protagonistin Adèle hat eigentlich alles, was oberflächlich als wünschenswert gilt: Mann, Kind, finanzielle Sicherheit und einen Beruf, der sie nicht überfordert. Trotzdem ist sie rastlos und immer auf der Suche nach unpersönlichem, emotionslosem Sex. Es ist nicht die Beschreibung von weiblichem Begehren, die die Autorin hier wagt, es ist eher die sehr präzise Beschreibung pathologischer Verlorenheit und Trostlosigkeit.

Kein romantischer Text, die Autorin beschreibt nüchtern, aber mit großartigem sprachlichem Feingefühl die zum Teil verstörenden und logisch nicht erklärbaren Ausbrüche Adèles. Dabei bleibt die Figur der Protagonistin immer ambivalent: sie ist nicht sympathisch, aber irgendwie fühlt man mit ihr, versucht zu verstehen und scheitert kläglich. Es ist kein Plädoyer für sexuelle Freiheit, eher eine nüchterne Beschreibung innerer Abgründe – grausam und intensiv.

Ein sehr eindringliches Buch, dessen offenes Ende mich nachdenklich zurückgelassen hat.
Ein starker, aber keinesfalls leicht verdaulicher Roman!

Lesemama


Was hat sie zu verlieren?

Zum Buch:
Adèle ist Mitte dreißig, verheiratet und Mutter einen kleinen Jungen. Sie lebt in einer schönen Wohnung in einem guten Viertel, in der Nähe von Montmatre, in Paris. Ihr Mann ist Chirurg, erfolgreich und nicht arm. Eigentlich hätte Adèle ein schönes Leben, wäre da nicht ihre Unzufriedenheit.

Meine Meinung:
Das Buch wirbt als Frauen roman. Die Frau, Adèle, steht mitten im Leben, hat es eigentlich für getroffen. Ein Job, einen Mann, ein Kind, Wohlstand, alles was sie sich immer wünschte und dennoch ist so unzufrieden. Hasst ihr Leben, ihren Mann, das Mutterdasein. So sehr das sie andauernd fremdgeht. Aber sie hat keine Affaire, nein, sie geht mit wildfremden Männern mit, schläft mit ihnen, hasst sich dafür.
Was für ein krankes Thema, Frauen die so Leben wollen, sollen das gerne tun, aber bitte ohne Familie. Das einzige was mir hier gefiel, das es mal die Frau ist ukd nicht immer der Mann.
Die Thematik wäre ganz interesant, wäre es kein französischer Roman gewesen. Mit den Franzosen habe ich einfach meine Probleme, ich komme mit dem Stil nicht zurecht. Es ist überkandidelt, es ist zu gewollt und konnte mich daher nicht erreichen.

Aleksandra Dimoska


All das zu verlieren

Madame Bovary, Anna Karenina, Effie Briest. Frauen, die in der Literatur sich durch ihren Ehebruch namenhaft gemacht haben. Die Konsequenzen waren brutal. Aber es waren Männer, die ihnen ihre Stimme verliehen. Doch was denkt Frau wirklich, wenn sie solche Taten vollzieht? Was ist die Motivation? Welche Gefühle gewinnen die Oberhand? Leila Slimanis Debütroman, der nun ins Deutsche übersetzt wurde, lässt sich mit solchen Größen durchaus vergleichen. Sie erzählt von der inneren Zerrissenheit Adèles, einer Frau, die alles hat - einen Arzt als Mann, einen süßen Jungen, einen tollen Job als Journalistin, eine Wohnung in Paris. Dennoch ist Adèle nicht glücklich. Sie flüchtet zu ihrem Liebhaber anstatt zur Arbeit zu gehen, sie lässt ihren Sohn alleine zuhause, um die nächste Bekanntschaft in einer Bar anzutreffen, sie belügt ihren Mann mit einer Raffinesse, die man nur beneiden kann, um sich für einige Stunden in den Armen eines Fremden davonzustehlen. Wir wollen sie nicht verstehen, tun es aber doch. Dann wieder nicht. Es ist eine Geschichte, in der man sich selbst fragt, auf welcher Seite man steht. Je näher man dem Ende kommt, umso unbefriedigter wird man selbst. Man spürt die Leere. Eine Leere, die an Adèles erinnert. Ein Roman, der nicht nur in einer brillanten Weise über das Innere einer Frau erzählt, sondern auch ganz still an der Gesellschaft Kritik ausübt.

nil_liest


Was ist schon normal?

Macron, derzeitiger Präsident der Grand Nation Frankreich, hat die Schriftstellerin Leïla Slimani zu seiner Botschafterin der Frankofonie auserkoren. Dann hat sie noch mit ihrem zweiten Roman den Prix Goncourt abgeräumt. Spricht für diese Frau, marokkanischer Herkunft, geboren 1981 in Rabat, die in Paris studierte. Und nicht nur das, als Verfechterin der Gleichberechtigung tritt sie öffentlich meinungsstark auf.
Ihr Debüt ist, im Original bereits 2015, nun auch auf Deutsch erschienen mit dem Titel „All das zu verlieren“. Diesen Roman kann man mit diesem Vorwissen kaum unbedarft in die Hand nehmen.
Der Inhalt ist schnell zusammengefasst: Die Protagonistin, eine Pariser Journalistin, versucht ihre innere Leere mit Sex zu füllen. Zudem ist sie verheiratet und hat einen Sohn im Kleinkindalter. Sie plagt nun erwischt zu werden und hat eben Angst „all das zu verlieren“. Nun kann man sich natürlich die naheliegende Fragen stellen warum Madame sich nicht scheiden lässt in einer modernen Gesellschaft wie Frankreich. Aber das ist zu kurz gegriffen, denn aus meiner Sicht will die Autorin mittels dieser drastischen Konstellation und einer sehr plastischen Sucht das gängige Glücksmodell in Frage stellen und fordert den Leser heraus: Macht jeden die Ehe mit Kindern gleichermaßen glücklich? Die herkömmliche Norm wird ausgehebelt.
Natürlich provoziert die maghrebinische Autorin auch in dem das Thema Fremdgehen/Ehebruch seitens einer Frau im Fokus steht. Der Roman war ein Bestseller in Marokko und führe zu hitzigen Debatten. Eine weitere Ebene der Auseinandersetzung im lokalen kulturellen Kontext.

Hervorragend übersetzt von Amelie Thoma, liest sich dieses sehr französische Werk trotz teils harter Kost sehr gut. Nur sollte der Leser darauf eingestellt sein, dass es auch verstörende Passgen gibt.

In der Härte liegt zugleich auch sprachlich die Stärke des Romans. Selten finde ich ein solch emotional aufgeladenes Thema so nüchtern und zugleich poetisch in Szene gesetzt. Leïla Slimani kann wunderbar schreiben.
Mir fällt in der Tat keine andere so moderne wie richtungsweisende Schriftsteller*in ein, die Frankofonie-Botschafter*in sein sollte!

Fazit: Lesen und wirken lassen. Nicht bewerten.

anushka


Teils sehr explizite, aber wenig substanzielle Betrachtung einer rastlosen Seele

Adéle ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn. Sie als Journalistin und er als Chirurg können sich eine Wohnung in einem schicken Pariser Viertel leisten und noch so manch andere Annehmlichkeit. Aber Adéle ist nicht glücklich. Ihr Job ödet sie an, eigentlich wollte sie nie arbeiten müssen. Sie führt dieses Leben nur, weil es sich eben so gehört, man das in ihrem Alter und in ihrem Umfeld so macht. Ob sie ihren Mann liebt? Unklar. Dafür trifft sich Adéle mit anderen und oft fremden Männern um mitunter ziemlich harten Sex zu haben. Doch auch das kann die Leere im Inneren nicht fühlen und Adéle begibt sich in eine Spirale, die alles zu zerstören droht.

Den ersten Roman der Autorin habe ich sehr begeistert gelesen. In "Dann schlaf auch du" verarbeitete die Autorin einen realen Fall und öffnete die Augen für eine ganze Gruppe prekär Angestellter in der heutigen Zeit und im heutigen Umfeld aufstrebender Städter mit Oberschichten-Lebensstil. Bei "Alles zu verlieren" geht meiner Meinung nach dieser gesellschaftliche Blick ein wenig verloren. Wie sehr das Geschehen ganze Gruppen betrifft, bleibt schwer abschätzbar. Sicherlich fügen sich auch hier viele in einen Stereotyp eines Lebens, den sie eigentlich gar nicht mögen. Aber eigentlich geht es mehr um Adéles egoistische Triebe und ihre pathologische Langeweile. Mag sein, dass man sie auch als Suchtkranke betrachten kann, denn schließlich beobachtet der Leser ihre stetige Suche nach einem immer stärkeren Kick, für den sie zunehmend Risiken in Kauf nimmt und schließlich Gefahr läuft, alles zu verlieren. Doch es ist beim Lesen schon ziemlich hart, das Ganze mit "anzusehen". Diverse sexuelle Eskapaden werden doch recht detailliert beschrieben und Adéle kann ihrem Leben so wenig Positives abgewinnen, dass es schwer ist, Sympathie für sie zu entwickeln. Ihre Anbahnungen werden immer plumper und man hat beinahe schon Fremdschämmomente. Was mich am meisten irritert hat, ist Adéles plötzlicher Wandel. Lange Zeit wirkt sie sehr selbstermächtigt, selbstbewusst und zielstrebig, wenn auch nicht beruflich, so dennoch, was ihre eigenen Wünsche angeht. Doch plötzlich, obwohl für die Entwicklung dankbar, wirkt sie passiv, unterwürfig und versteht sich plötzlich selbst als Opfer; ein Opfer ihrer Sucht. Jegliche Selbstinitiative und Selbstermächtigung sind verschwunden.

Unbestritten finde ich, dass die Autorin einen ansprechenden und anspruchsvollen Schreibstil hat, der diese zumeist deprimierende Geschichte sehr literarisch transportiert. Doch die Geschichte selbst hat in meinen Augen eher weniger Substanz und weniger gesellschaftliche Relevanz, sodass sie letztlich bei mir nicht langfristig verfangen hat und ich den teils recht expliziten Beschreibungen und einer unsympathischen Protagonistin nur widerwillig gefolgt bin.

Ele


Ratlos

All das zu verlieren, Roman von Leila Slimani, 224 Seiten, erschienen im Luchterhand Verlag
Roman über eine Arztfrau die sich in ihrer Sexsucht verliert.
Adele schön, gutaussehend, stilvoll könnte eigentlich mit ihrem Leben zufrieden sein. Sie hat einen kleinen Sohn Lucien, der ihr lästig ist. Ihr Mann ist Chirurg, sie leben in einem angesehenen Pariser Viertel, in der Nähe von Montmatre. Sei reisen viel, er beschenkt sie. Nebenbei arbeitet sie als Journalistin bei einer Pariser Tageszeitung. Sie ist trotz allem nicht mit ihrem Leben zufrieden. Und obwohl sie weiß, dass sie alles verlieren könnte gibt sie sich wildfremden Männern hin. Es ist wie eine Sucht.
Ich bin wirklich ratlos über dieses Buch. Ich verstehe die Protagonistin nicht, ich verstehe auch nicht was die Autorin mit dieser Geschichte ausdrücken will. Das Buch hat mich absolut nicht erreicht. Eher fühle ich mich immer wieder vom Verhalten der Protagonistin angewidert, die kultivierte schöne Frau hat es nicht nötig sich, von zum Teil von sogar sehr abstoßenden Männern, so erniedrigend benutzen zu lassen. Obwohl immer wieder Szenen aus ihrer Kindheit und Jugend beschrieben werden, konnte ich für ihre Promiskuität keine Ursache finden. Ihr Mann kann ihr seine Liebe nicht so richtig zeigen, trotzdem stößt er sie nicht von sich. Die Szenen sind unpornografisch dargestellt. Mich hat das Buch traurig gestimmt. Selbst die Spannung ist hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Das Ende wirft mehr Fragen auf als es beantwortet. Der Vergleich mit der „Bovary“ hält bei mir nicht stand, die einzige Parallele konnte ich nur durch die Gegebenheit erkennen, dass es sich bei beiden um Arztfrauen handelt die sexsüchtig sind. Es fehlt in dieser Erzählung einfach an Tragik und auch an Romantik. Auch hätte man aus den Figuren mehr herausholen können. Weil es sich um kurze Kapitel und eine niedrige Seitenzahl handelt, hatte ich das Buch an einem Tag ausgelesen. Da ich vor einiger Zeit schon ein Buch von Slimani gelesen habe, welches mir gefallen hat. (Dann schlaf auch du) Bin ich überhaupt erst auf diesen Band aufmerksam geworden. Es hat sich nicht gelohnt.

StefanieFreigericht


Abhängigkeiten

Adèle hat als Journalistin Vorteile: Sie kann nach Bedarf Gründe angeben, nicht daheim zu sein. Nach Bedarf für ihre Bedürfnisse: um Sex zu haben, Sex mit ihrem Chef, Kollegen, Unbekannten. Ihr Mann Richard bekommt Ausreden. Sie bekommt oft nicht das, was sie sucht. Nicht neu genug, nicht hart genug, nicht brutal genug. Also ist der nächste Mann fällig. Oft stösst sie die Menschen um sich herum zurück, benimmt sie sich wie eine schmollende Dreijährige in der Trotzphase, die sich im Badezimmer einschließt, als es zu einer Einladung geht, dort die anderen Frauen ignoriert, aber den Gastgeber bedrängt. Dann, an anderer Stelle, scheint sie gefallen zu wollen: S. 18 "Ich lade euch ein", verkündet Adèle, deren Konto überzogen ist und der noch nie ein Kollege auch nur ein Glas spendiert hat."

Sie lebt den Widerspruch: "Adèle mag ihren Beruf nicht. Sie hasst die Vorstellung, dass sie arbeiten muss, um davon zu leben." S. 15 aber: "Ihr Mann verdient gut. ... Adèle ist eine verwöhnte Frau, und ihr Mann ist stolz darauf, wie unabhängig sie ist." S. 16.

Was sie wirklich will? "Adèle könnte nicht sagen, wo im Knäuel ihrer Gefühle sich die Liebe zu ihrem Sohn verbirgt. Irgendwo zwischen der Panik, ihn anderen anvertrauen zu müssen, der Gereiztheit, wenn sie ihn anzieht, der Erschöpfung, wenn sie seinen störrischen Buggy eine Steigung hochschiebt." S 34 Dann genießt sie das Kuscheln mit ihrem Sohn. Doch was, wenn sie eines Tages auffliegt?

Ich habe diesen verstörenden und soghaften Roman in einem Rutsch gelesen, von den Sprachbildern ist er genial. Inhaltlich bin ich gerade arg überfordert. Schulfrage: Was wollte uns die Autorin sagen? KEINE AHNUNG. Wir sind alle allein? Wir sind alle abhängig oder coabhängig? Es gibt keine wahre Liebe, nur Kontrolle und Abhängigkeit? Wir sind immer auf der Suche, unzufrieden, oft heimlich, nur lebt das kaum jemand so konsequent aus?

Ich habe mich zwischendurch gezwungen, mir eine Vertauschung der Rollen vorzustellen. Richard schläft herum. Dann hätte es wahrschleinlich Sexismusvorwürfe gehagelt, Sprüche über Altherrenphantasien, auch von mir. Andererseits, das hier ist hauptsächlich selbstzerstörerisch. Warum? Weil ein nackter Mann als bedrohlich empfunden wird, die Leute sich über eine nackte Frau im Park jedoch freuen? Nun, Sex ohne Kondom, mit Fremden, mit dem Bedürfnis, Gewalt zu erfahren, werde ich weiterhin als fragwürdig empfinden.

Was wird zu den Gründen gesagt? Nichts. Es wird Anorexie angedeutet, mindestens eine Vernachlässigung als Kind durch die Mutter, ein seltsames Bild. Das ist mir zu einfach. In einer ZDF-Vorabendserie wäre die Lösung, dass Adèle als Kind missbraucht wurde, "am Besten" (! sic) innerhalb der Familie. Die Sprüche ihrer Mutter sind ausreichend seltsam. "Ich war's, die ihr gesagt hat, sie soll mal ein bisschen anziehender sein, aufreizend." S. 87

Geht es um Macht durch Manipulation? Darum, sich nur irgendwie zu spüren, statt ritzen oder Drogen? Geht es darum, dass Frauen das auch dürfen? Ehrlich gesagt, wäre mir Promiskuität recht schnurz (die Menschen können fast alles tun, solange es nicht zu Pflicht für alle wird) - aber diese Selbstzerstörung ist eine andere Sache.

Soghaft zu lesen, verstörend, es bleibt die Frage, warum dieser Text.
Und was machen wir jetzt damit? Sprachlich 5 Sterne, wie auch ihr anderer Roman „Dann schlaf auch du“. Den hatte ich mit 4 Sternen bewertet. Das hier ist für mich inhaltlich deutlich schwächer, also 3 ½ Sterne. Kein Wohlfühlbuch, aber ideal für eine Leserunde.

Barbara Kumpitsch


All das zu verlieren

Mich hat dieser Roman stark an Gregoire Delacourts "Das Leuchten in mir" erinnert, denn die Sinnlichkeit und Lust einer Frau wird in beiden Büchern sehr realistisch und doch tiefsinnig dargestellt. "All das zu verlieren" ist in Frankreich schon 2015 erschienen und wurde erst jetzt (nach dem Erfolg von "Dann schlaf auch du") ins Deutsche übersetzt. Adele sollte doch glücklich sein: sie hat einen guten Ehemann, einen Sohn, einen Beruf, Freunde, genug Geld, halbwegs nette Schwiegereltern, etc. Was geht in ihr vor, wenn sie statt zur Arbeit in die Wohnung eines Liebhabers fährt, wenn sie bei einem Geschäftsessen den verheirateten Gastgeber verführt, wenn sie unbekannte Männer in die Wohnung lässt? Was empfindet Adele, die wie im Rausch alles aufs Spiel setzt? Und was empfindet ihr Mann, der ihr irgendwann auf die Schliche kommt? Kann ein Mensch so abgebrüht sein, dass nur mehr der unerträgliche Schmerz eine Empfindung auslöst? Leila Slimani ist ein Stern in meinem Literaturhimmel!

Ana


All das zu verlieren

"Schön sein. Bereit sein. Die falschen Prioritäten setzen, unweigerlich."
Wem Effi Briest und Madame Bovary etwas sagen, der wird die simplere, moderne Adele ebenfalls kennenlernen wollen! Kein Unterhaltungsbuch. Intim, real und perfekt vorstellbar, ohne dabei unangenehm obszön oder pornographisch zu werden. Wie ein Mensch frühzeitig ein Verlangen vom Begehren entwickelt, das nie gesättigt werden kann.

Kurze Kapitel und ein direkter Erzählstil, der gerne auf geblümte Details und Langatmigkeit verzichtet, macht diesen Roman von der französisch-marrokanischen Autorin Leila Slimani zu einer ausgesprochen gelungenen Lektüre.

Wohnhaft in Paris, verheiratet mit einem Arzt, Mutter eines kleinen Jungen. Für ihren guten Job hat sie nicht viel tun müssen. Doch das alles ist nebensächlich für Adele. Solange sie gut ausschaut, darf das nicht vergeudet werden. Sie betrügt ihren Mann so oft und so gleichgültig, dass es sie selber wundert und ihren Sohn empfindet sie schon fast als Störfaktor.

Beim Versuch dem entkommen, sich vom unmoralischen Verhalten zu befreien, eine gute Mutter und Ehefrau zu sein, überkommt sie wieder dieser Schleier von Unzufriedenheit den niemand nachvollziehen kann. Sie balanciert so lange am Rand, weil sie mit den Konsequenzen nie konfrontiert wird. Wie ein Dieb der klaut, nicht weil er die Gegenstände benötigt, sondern weil er einfach nie erwischt wird. Will sie erwischt werden? Will sie alles verlieren? Neben Unverständnis dafür, was diese Frau reizt und was sie aufs Spiel setzt, entwickelt man als Leser doch auch Verständnis für ihre unerklärlichen Gedankengänge und ihr Verhalten. Ein Buch das mich durch Titel und Cover zuerst nicht angesprochen hat, aber nach den ersten Seiten war klar, es muss bis zum Schluss gelesen werden. Danke Frau Slimani!

skiaddict7


Die ständige Suche

„Unzufriedene Menschen zerstören alles um sich herum.“ (S. 205)

Adele Robinson ist eine Journalistin, welche mit ihrem erfolgreichen Ehemann und ihrem dreijährigen Sohn in einem teuren Pariser Viertel lebt. Sie scheint alles zu haben, was man sich wünschen könnte – Schönheit, Reichtum, Liebe, Familie – wieso ist sie nicht glücklich? Wie kann man unzufrieden sein, wenn man scheinbar alles hat? Adele lebt ein geheimes (Zweit-)Leben, denn unter anderem scheint sie ein unstillbares Verlangen nach Sex mit verschiedenen, vorwiegend fremden Männern zu haben. Sei es mit ihrem Chef, fremden Männern bei einer Dinner Party, in einer Galerie, etc. Sie ist bereit, alles für ihre Lust aufs Spiel zu setzen…

Ich mag französische Autoren, und ich hatte schon sehr viel über Leila Slimani gehört. Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen, das Buch war angenehm zu lesen. Slimani hat sich einem interessanten Thema angenommen, der Sexsucht bei Frauen. Ich fand ihre Herangehensweise interessant, aber leider hat die Geschichte insgesamt keine klare Aussage. Was genau will die Autorin mit der Handlung rüberbringen? Was will sie dem Leser mitgeben? Teils gibt es Aussagen und Passagen, welche zum Nachdenken anregen, doch das ganze wird von vielen, teils grotesken Sexszenen überschattet und endet in einem Cliffhanger, der für den Leser jedes Ende offen lässt. Insgesamt enttäuschend.