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Praxis und Revolution

Praxis und Revolution

Eine Sozialtheorie radikalen Wandels. Dissertationsschrift | Eva von Redecker

Taschenbuch
2018 Campus Verlag
Auflage: 1. Auflage
295 Seiten; 213 mm x 140 mm
ISBN: 978-3-593-50946-4

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InhaltVorwort 9Einleitung: "...es handelt sich um eine Revolution." 15I Marias Ménage und die Flüchtigkeit alternativer Praxis 43I.1 Praktische Normativität 53Die Priorität des Praktischen 54Drei praktische Regeltypen 57Drei Weisen praktischen Wissens 61Wiederholbarkeit 65I.2 Die Materialität der Praxis 68Bewegte Materie 69Unteilbare Praxis 74Ambivalenz und Interpretationsoffenheit 78Wandel durch Überlagerung 83I.3 Praxiszusammenhänge 86Teile ohne Ganzes? 87Verkettungen 89Verankerungen 93Ambivalente Ankerpraktiken 97II Jakobinische Strickerinnen und die Bahnen der Strukturierung 101II.1 Die Dualität sozialer Strukturen 113Die Strukturierungstheorie 114Regeln, Ressourcen, Rekursivität 117Materialismus durch Praxisübertragung 118Materialismus durch Praxisverkettung 121II.2 Anerkennung und performative Strukturierung 128Nichts als und doch mehr als Praxis 129Wiederholung, Anerkennbarkeit, Performativität 132Dreifache Hermeneutik 136Erosion 141II.3 Drei Aggregatzustände des Sozialen 144Versteinerte Strukturen 145Geronnene Strukturen 147Flüchtige Zwischenräume 149Interstitielle Strukturierung 152III Martas unsichtbare Bezugsgruppe und interstitielleStrukturumbrüche 155III.1 Dis-Aggregation: Performative Kritikund das Lachen der Mimesis 167Performativität rückwärts 169Performative Kritik im Besonderen: Drag 172Performative Kritik im Allgemeinen:Unfügsame Praxis 175Subversives Lachen 178III.2 Konstitution: subkollektive Assoziation 180Sub-Kollektive 181Macht durch Assoziation 184Praxis zwischen Welt und Mitwelt 187Strukturen zwischen Spontaneität und dauernderErscheinung 191III.3 Kontamination: Strukturüberlagerung 195Subversion oder Perversion? 196Szenarienüberblendung und synchrone Genealogie 200Strukturumschlag und Re-Artikulation 203Metaleptische Verschränkung 205IV Die Hinrichtung der Marquiseund metaleptische Paradigmenwechsel 209IV.1 Paradigmenwechsel als sukzessiver Austauschvon Ankerpraktiken 223Paradigmenwechsel nach Kuhn 224Kippbilder entzerren 227Paradigmenwechsel nach Masterman 231Replikation und Rekursivität 235IV.2 Der revolutionäre Entstehungsprozessdes Revolutionsbegriffs 238Prozess oder Ereignis? 239Kulmination an der Bastille 244Kumulation im Gang durch die Peripherie 249Zur Vergegenwärtigung von Transformationsprozessen 252IV.3 Metaleptische Dynamiken 255Fern-Metonymie 258Grund-Folge-Vertauschung 261Mittelmäßiger Witz 263Konklusion: "Die Mühen der Ebene" und die revolutionäreTradition 269Literatur 279

Besprechung
»[Von Redeckers] Buch [regt] dazu an, den Alltag, sei es in einem Projekt, einer Initiative, bei der Arbeit oder in Beziehungen, ernst zu nehmen - was aber nicht bedeutet, dass jeder Kampagnen-Click, jeder WG-Ausflug schon revolutionär ist. Sie entwickelt das Denkwerkzeug, solche Unterscheidungen zu treffen, vor allem aber eine Praxis zu kultivieren, die unsere Welt zum Besseren verändert. Und zwar radikal.« Sabine Rohlf, Missy-Magazine»Gestützt auf die Werke von Mary Shelley und Tania Blixen veranschaulicht Redecker, dass die Revolution auch in Krankenzimmern und konspirativen Handarbeitszirkeln vorangetrieben werden kann. Man muss eben nicht immer gleich auf die Barrikaden gehen.« Mariann Lieder, Philosophie-Magazin, 20.09.2018

Kurztext / Annotation
Gibt es einen Zusammenhang zwischen zäher Alltagspraxis und großer Umwälzung? Unter welchen Bedingungen können kleine Veränderungen revolutionäre Ausmaße annehmen und an welche Grenzen stoßen sie? Eva von Redecker plädiert vor dem Panorama ausgewählter Literaturbeispiele dafür, dem Revolutionsbegriff eine neue Gestalt zu geben. Radikaler Wandel wird in diesem Buch sozialtheoretisch erschlossen und als langwieriger Übertragungsprozess verständlich, in dem Gegenstand und Antrieb der Veränderung in eins fallen: in Praxis.

VorwortIn Revolutionen wird zwar alles anders, aber nicht alles neu. Wandel ergibt sich aus dem Bestehenden und zwar, so die These dieses Buchs, durch das Umfunktionieren gegebener Strukturen nach Maßgabe von Praktiken, die in gesellschaftlichen Zwischenräumen vorweggenommen und eingeübt werden. Es bedarf dieses beharrlichen Untergrunds - oder auch dieser untergründigigen Beharrlichkeit -, um sicherzustellen, dass nach Fortsetzung nicht einfach Althergebrachtes, nach Auflösung nicht einfach Leere und nach Krisen nicht einfach Lähmung herrscht.Die Praxis der Zwischenräume wird dabei aber nicht zum neuen Subjekt der Revolution erklärt - also zu dem, was die Revolution macht. Anders als Bücher, für die trotz aller Vielstimmigkeit und aller Kollektivarbeit doch eine Autorin verantwortlich zeichnet, werden Revolutionen überhaupt nicht "gemacht". Sie entstehen aus Konstellationen von Bedingungen, die niemand steuert.Etwas nicht zu steuern, heißt aber nicht, dass man es nicht (besser) verstehen könnte. Dieses Buch verwendet gut 250 Seiten darauf, Konstellationen radikalen Wandels sozialtheoretisch zu bestimmen und schließlich auf den der antiken Rhetorik entlehnten Begriff der Metalepsis zu bringen. Gemeint ist damit ein verkehrendes Ineinandergreifen - in diesem Fall von abseitiger Praxis und bedingenden Strukturen -, das einen Übergang ermöglicht.Mit Doktorarbeiten vollziehen Wissenschaftlerinnen den Übergang in die akademische Gemeinschaft. Die tradititionellen Rituale, die damit - trotz aller neoliberalen Einebnung - immer noch verbunden sind, stiften bemerkenswerte Verwandtschaftsverhältnisse: auf die Adoption durch Doktormütter oder -väter folgt die Entstehung eines Werkes. Wie Nonnen nach bestandenem Novizat in einer symbolischen Zeremonie der Eheschließung in die Klostergemeinschaft aufgenommen werden, wird die Promovendin durch die Disputation Teil der Wissenschaftsgemeinde. Als deren Mitglied steht sie schließlich vor der Aufgabe, die Offerte wieder weltfähig zu machen und von einer Qualifikationsschrift in ein Buch zu verwandeln - nicht zuletzt, um sich anschließend von dem Gesellenstück trennen und neuen Forschungsfeldern zuwenden zu können.Ich staune immer noch, dass dies gelungen sein soll. Und es ist ein ganz einfacher und überhaupt nicht neuer Begriff, auf den mich dieses Staunen bringt: Dankbarkeit.Mit der Würdigung all der Hilfe, Ermutigung und Herzlichkeit, die mich durch die letzten Jahre getragen haben, ließen sich ihrerseits leicht 250 Seiten füllen. Ich hoffe, dass meine Dankbarkeit viele über die folgenden Passagen hinausreichende Ausdrucksmöglichkeiten finden wird und beschränke mich auf den Versuch, den Anteil derer zu benennen, ohne die dieses Buch schlichtweg nie geschrieben worden wäre.Rahel Jaeggi danke ich als Betreuerin der diesem Buch zugrundeliegenden Dissertation: Für die grandiose Mischung aus vorbehaltloser Begeisterung für das Projekt im Allgemeinen und gehöriger Skepsis gegenüber fast allen seinen besonderen Hypothesen. Gerade das, wovon ich mich über weite Strecken der Promotion maßlos überfordert gefühlt habe - immer schon als die philosophische Dialogpartnerin angesprochen zu werden, die ich doch durch die Arbeit an der Qualifikationsschrift überhaupt erst allmählich zu werden gedachte -, erscheint mir im Nachhinein als die großzügigste Gabe. Es gibt also Lernprozesse.Rahel als Chefin danke ich für das inspirierende und sich ständig bereichernde Umfeld, sowohl an der Humboldt-Universität als auch vorübergehend an der New School, New York, in dem ich Kooperationen, Herausforderungen und Freundschaften finden konnte, wie es sie in dieser Dichte wohl nur in wenigen intellektuellen Zentren gibt - dieser Dank gilt zugleich meinen wunderbaren Kolleg_innen am Lehrstuhl.Schließlich danke ich Rahel für tiefe persönliche Vertrauensbeweise und dafür, den Elfenbeinturm mit so sprudelnder Lebendigkeit zu füllen, dass ich nie dazu gezwungen war, kostbare Zeit mit Grübelei darüber zu verschwenden,

Eva von Redecker ist wiss. Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der HU Berlin und stellvertretende Direktorin des Center for Humanities and Social Change.