Buchhandlung Neugebauer

Rezensionen

Miracle Creek
 

Manfred Fürst


Highlight des Jahres

In der Kleinstadt Miracle Creek in Virginia gerät eine Scheune in Brand, durch die eine spezielle Druckkammer, die „Miracle Submarine“ notwendig für die hyperbare Sauerstofftherapie, HBO, HBO-Therapie explodiert. Sie soll Wunder (miracles) vollbringen - bei Autismus, Behinderungen oder auch Unfruchtbarkeit; doch bei der Explosion sterben zwei Menschen: Kitt, die eine Familie mit fünf Kindern zurücklässt, und Henry, ein achtjähriger Junge. Ein Jahr danach im Prozess sitzt wegen Brandstiftung und Mord Henrys Mutter Elizabeth auf der Anklagebank. Die Beweise sind erdrückend, der Staatsanwalt Abe hat sich auf Elizabeth „eingeschossen“. Wäre da nicht Shannon, Elizabeths Verteidigerin, die von Elizabeths Unschuld überzeugt ist. Und es beginnt in den Hirnen der Einwohner von Miracle Creek zu rumoren. Kommt doch noch die Wahrheit ans Tageslicht? Oder soll weiter gelogen und verheimlicht werden?

Was wie ein hoch spannender Gerichtsthriller beginnt, entwickelt sich schon nach wenigen Seiten, während der Einvernahmen der ersten Zeugen, zu einem viel tiefgründigeren Roman, in dem es neben der Frage um Schuld und Unschuld noch um viele andere große Themen geht: um die Bedeutung von Familie, um die Überforderung mit der Betreuung autistischer und behinderter Kinder, um die Lebensrealität asiatischer Migranten in den USA, deren unerfüllte Hoffnungen im neuen Land und die rassistische Ablehnung der „Schlitzies“.

Basierend auf Kims eigenen Erfahrungen als ehemalige Prozessanwältin, Koreanisch-amerikanische Einwanderin und Mutter eines echten „submarine“-Patienten, fügen sich in Miracle Creek die angespannte Atmosphäre eines Gerichtssaaldramas und die die Komplexität des Familienlebens - um es einmal vorsichtig auszudrücken - zu einem kraftvollen Romandebüt einer großartigen Erzählerin zusammen.
Miracle Creek ist ein Gerichtssaaldrama mit perfekter Dramaturgie, einer originellen Handlung und einem herausragenden Schreibstil – dank überragender Übersetzung. Ein Roman mit bemerkenswerter Empathie, einer Aneinanderreihung von kleinen unbedeutenden Ereignissen, die zu weitreichenden Folgen führen und die dringende Notwendigkeit das vermeintlich Richtige zu tun.
Authentizität und Empathie machen „Miracle Creek“ zu einem außerordentlichen literarischen Werk, das die breite Anerkennung sehr wohl verdient hat.

Nachsatz: Angie Kim sagt von sich, dass sie sich bereits in jungen Jahren zu „Mysteries“ hingezogen fühlte. Als sie 11 war fielen ihr die „Classics Mysteries“ von Edgar Allan Poe, Dashielle Hammett, Arthur Conan Doyle und Agatha Christie in die Hände.
Dennis Lehanes „Mystic River“ war ihr großes literarisches Vorbild für „Miracle Creek“.
Doch sie wollte mehr als eine “who-/how-why-dunit“-novel schreiben.
Fasziniert vom Erzählstil Lehanes kreierte sie ihre „POV-Characters“. Diese „Point Of View“- Erzählperspektive sei das von ihr bewusst gewählt prägende Stilelement in „Miracle Creek“.

Im Jahr des Erscheinens der englischen Originalausgabe 2019 wurde Angie Kims ‚novel‘ „Miracle Creek“ in der Presse hochgelobt und mit Preisen/Nominierungen/Auszeichnungen überhäuft.

Kims nächster Roman HAPPINESS QUOTIENT – hoffentlich bald in deutscher Übersetzung.

Natalie


In Miracle Creek hat jeder ein Geheimnis...

Wer war es? Wer hat die Scheune der Familie Yoo in Brand gesteckt und dadurch einen Sauerstofftank explodieren lassen? Es sterben dabei zwei Personen, darunter ein 8-jähriger Junge. Verdächtigt und angeklagt wird seine Mutter. Doch war sie es wirklich? Die Beweise scheinen erdrückend...

Im Laufe des Buches wird das Geschehene von den unterschiedlichen Personen im Zuge des Gerichtsverfahren aufgerollt. Dabei lernt der Leser auch die Charaktere sehr gut kennen. Manchmal glaubt man schon, dass war jetzt der Beweis X, welcher im nächsten Moment aber schon wieder hinfällig ist. Jeder scheint verdächtig. Die Autorin schafft es, von der ersten Seite an, den Leser zu fesseln und nicht mehr loszulassen. Viele Wendungen machen das Buch zum absoluten page turner, jeder scheint ein passendes Motiv für den Brand zu haben, jeder hat sein Päckchen zu tragen und hütet Geheimnisse. Wie weit geht man, um seine dunkelsten Geheimnisse zu bewahren? Wer es war? Es bleibt bis zum Schluss spannend..

Einfach ein unglaublich tolles Buch, absolute Leseempfehlung!

Brigitte Thaler


Miracle Creek

Miracle Creek, ein abgelegenes Dorf in Amerika, wird zum Schauplatz eines Gerichtsprozesses: Pak und seine Frau Young betreiben dort in der "Miracle Submarine" ein Sauerstoff-Therapie-Zentrum. Als dies eines Tages explodiert, beginnen die Ermittlungen. Wer hat das Feuer gelegt? Wie konnte es zu dieser Katastrophe kommen, bei der zwei Menschen starben und drei schwer verletzt wurden?

Der Autorin gelingt es meisterhaft, die Spannunge auf 500 Seiten aufrecht zu erhalten. Wir erfahren von allen Beteiligten ihre Sicht der Dinge, so wie sie sich die Wahrheit zurechtbiegen und eine Lüge die nächste bedingt. Schlussendlich ist es das Zusammentreffen vieler kleiner Belanglosigkeiten, Fehler, Zufälle, die zu dieser Tragödie führen. Wer ist nun Schuld? Gibt es dabei überhaupt einen Angeklagten oder lastet nicht auf allen die Schuld?

Nervenkitzel bis zum Schluss!

yesterday


Das Richtige zu tun, ist nicht nichts

“Roman” steht auf dem Cover und doch ist dieses wunderbare Buch zum Teil ein wahrer Gerichts- und Gerechtigkeits-Krimi. Wenn Menschen ums Leben kommen und die Umstände nicht ganz eindeutig sind, sind wir es gewohnt, den oder die Schuldige oder die Schuldigen zu suchen, zu finden und zu verurteilen.

Metaphorisch wie auch rechtlich. Angie Kim, die in diesem Buch ihr Wissen als ehemalige Anwältin einfließen lässt, zeigt auf, dass das nicht immer so einfach ist. Was, wenn spezielle Umstände zum Unglück geführt haben? Wenn die Verkettung dieser so stark, so unaufhaltsam war, dass niemand das Ergebnis kommen sah?

In “Miracle Creek” wird zwar offiziell nur einer Person der Prozess gemacht, aber als Leser erfährt man aus mehreren Perspektiven, von mehreren Beteiligten wie sie den Schicksalstag erlebt haben und auch die Tage davor. Plötzlich scheint jeder verdächtig, denn jeder verbirgt seinen Teil der Wahrheit und versucht, sich undurchsichtig zu geben um nur ja heil aus der Sache herauszukommen.

Menschliche Abgründe und Eitelkeiten, die psychischen Qualen die jeder für sich erleidet, werden schonungslos offengelegt (nur nicht dem Gericht gegenüber). Wird am Ende aber doch noch jemand das Richtige tun?

Glücksklee


Emotionale Verflechtung von Ereignissen

Die Autorin Angie Kim hat ihrem Roman den Namen „Miracle Creek“ gegeben. Wer jetzt bei einem Wunder an eine aufmunternde und vielleicht fröhlich stimmende Geschichte denkt, der wird von dem Buch wohl eher enttäuscht werden. Aber das verrät einem vielleicht auch schon der Klappentext des Romans. Es geht um ein Unglück, ein Mordprozess wird geführt – und im Mittelpunkt des Romans steht die Frage, ob Elizabeth, die des Mordes bezichtigt wird, wirklich ihren eigenen Sohn umbringen wollte und damit auch den Tod weiterer Menschen in Kauf nahm.
Aber das ist nicht das einzige Element der Geschichte. Die Autorin webt ein komplexes Konstrukt aus menschlichen Dramen. Da ist die koreanische Einwandererfamilie, die im weitesten Sinne an dem festhält, was man als den „American Dream“ bezeichnen könnte – die Hoffnung auf ein besseres Leben in den USA. Da ist ein Ehepaar, das Probleme hat und ein Ehemann, der sich etwas Unverzeihliches zuschulden kommen lässt. Und da ist die Frage, ob Elizabeth ihr von den Bedürfnissen ihres Sohnes bestimmtes Leben satt hatte und ein absolut unverzeihliches Verbrechen begangen hat, um dieses Leben zu ändern.
Im Wechsel und aus verschiedenen Perspektiven entfaltet sich die Geschichte vor den Augen des Lesers. Stück für Stück kommt eine tragische und schockierende Wahrheit ans Licht – geschickt und absolut mitreißend erzählt von Angie Kim. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und vermittelt eindringlich die Emotionen, die in den einzelnen Protagonisten toben. Auch wenn man von einigen Entwicklungen sicher mehr schockiert ist, als von anderen und für manche Protagonisten weniger Verständnis hat als für andere – die Geschichte fesselt den Leser definitiv.
Allerdings war mir die Auflösung und das Ende ein wenig zu kurz abgehandelt – die Entwicklungen ganz zum Schluss wurden nicht mehr detailliert abgehandelt, sondern eher zusammengefasst. Mir hat da ein bisschen mehr gefehlt, sodass ich insgesamt auf eine Bewertung mit vier von fünf möglichen Sternen komme und mich auf jeden Fall auf weitere Werke der Autorin freue.

Maxie Bantleon


Miracle Creek

Miracle Creek sieht nicht aus wie ein Ort, an dem sich je Wunder zutragen, außer vielleicht jenes, dass Menschen hier jahrelang leben, ohne vor Langweile durchzudrehen. Auch Young Yoo hat sich mit ihrem Mann Pak und der gemeinsamen Tochter Mary in dem kleinen Ort niedergelassen, und sie betreiben dort eine "medizinische Einrichtung", die den Betroffenen vielleicht zunächst wie ein Wunder vorkommt, insgesamt aber doch eher seltsam anmutet: Das Miracle Submarine. Wozu braucht man mitten in Virginia, wo es weit und breit kein Meer gibt, ein U-Boot? Das Miracle Submarine ist natürlich kein echtes U-Boot, sondern ein medizintechnisches Gerät, eine Kammer für hyperbare Oxygenierung, eine Therapieform, bei der 100%iger, medizinisch reiner Sauerstoff unter einem erhöhten Umgebungsdruck für definierte Zeiträume und Intervalle bei Patienten durch Einatmung zur Anwendung kommt.
Was sich für mich beim Lesen wie Hokuspokus anhörte bzw. mich an die Druckkammern zur Behandlung der sog. Taucherkrankheit denken ließ, wird von Pak bei seinen Patienten bei einer ganzen Reihe von Indikationen, die von Krankenhäusern nicht abgedeckt werden, angewandt: u.a. Autismus, Unfruchtbarkeit, Nervenleiden.
Doch jetzt sind die Sauerstofftanks des Miracle Submarine explodiert, eine Mutter von fünf Kindern und ein autistischer Junge sind dabei ums Leben gekommen, ein weiterer Patient hat entsetzliche Verbrennungen, die ihn auf ewig entstellen, davongetragen, Pak selber sitzt seitdem im Rollstuhl.
Der Leser nimmt nun an vier aufeinanderfolgenden Prozesstagen teil, bei denen herausgefunden werden soll, wie es zu der Tragödie kommen konnte. Ist wirklich Elizabeth, die Mutter des getöteten Jungen, verantwortlich für die Explosion oder war es ein schrecklicher Unfall? Akribisch werden die Angeklagte und alle anderen beteiligten Personen vom Staatsanwalt bzw. der Verteidigung auseinandergenommen, immer mehr Details und auf den ersten Blick unwichtig erscheinende Kleinigkeiten kommen ans Licht. Jeder, der irgendwie mit dem Miracle Submarine zu tun hatte, hat irgendetwas zu verbergen, sei es um sich selbst oder einen geliebten Menschen zu schützen.
Eigentlich wollte ich dieses Buch in einem Rutsch lesen, weil ich unbedingt wissen musste, wie es weitergeht. Aber ich habe mich zwischendurch immer wieder gezwungen, es für einen Moment wegzulegen: Um länger etwas zu haben von diesem wunderbaren Roman. Unbedingte Leseempfehlung!

Alexander Kornell


Schuld und Sühne

In einer medizinischen Sauerstoffkammer kommt es zu einem tödlichen Zwischenfall. Unter den Todesopfern ist auch der 8jährige autistische Henry. Seine Mutter wird des Mordes und der Brandstiftung angeklagt. Aber was ist an jenem Tag wirklich passiert? Denn alle Beteiligten scheinen ein Motiv für die Tat gehabt zu haben.
Während des Gerichtsprozesses lernt der Leser die Verdächtigen kennen und wird dabei immer wieder auf neue Fährten gelockt. Die wechselnde Erzählperspektive sorgt dabei für zusätzliche Spannung.
Ein kniffliges Krimi-Rätsel über Verrat, Liebe und Familie.

Sabine M


Alles ist anders

Auch wenn das Jahr noch jung ist, kann ich eines mit Bestimmtheit sagen. Angie Kims Debütroman "Miracle Creek" wird eines meiner diesjährigen Lesehighlights sein.

Der Plot ist schnell erzählt. Eine koreanische Einwanderfamilie betreibt im verschlafenen Dorf Miracle Creek eine HBO-Anlage. Diese Überdruckkammer wird zur Therapie u.a. bei Autismus eingesetzt. Eines Tages passiert dort ein folgenschweres Unglück. Durch einen Brand explodiert ein Sauerstofftank. Zwei Menschen sterben. Elizabeth, die Mutter des achtjährigen Henry, eines der Opfer, wird angeklagt, den Brand absichtlich gelegt zu haben.

Ich kann es eigentlich gar nicht richtig fassen, nicht benennen, warum mich dieser Roman so fasziniert.

Der Schreibstil der koreanischstämmigen Autorin ist sehr vielschichtig. Nüchtern, prägnant, einprägsam. Aber dann doch wieder fast poetisch und leicht. Man liest und ist schnell gefangen, will nicht mehr aufhören. Der permanente Perspektivenwechsel tut sein übriges. Jeder Abschnitt wird von einem der Protagonisten erzählt. Dabei schildert jede/r seine ganz eigene Sicht auf das Erlebte. Kleine und größere Lügen kommen zum Vorschein. Jeder hat seine eigenen Wahrheiten. Jeder hat einen Grund für seine Entscheidungen und bringt dadurch das Fass zum überlaufen. Es ist wie bei einem Dominoeffekt, einmal losgetreten, kann man es nicht mehr stoppen.

Das Buch hat so viele Facetten, dass man es nur schlecht einordnen kann. Eins ist es auf jeden Fall. Eine interessant, spannende Milieustudie, wie sie nur ein Einwanderland, wie Amerika, hervorbringen kann.

Sago


Komplexe Wahrheit

Kaum zu glauben, dass es sich bei diesem komplexen Geflecht von einem Roman tatsächlich um Angie Kims erstes Buch handelt. Mit Miracle Creek hat sie ein Werk geschaffen, das man nach dem Lesen nicht so schnell vergisst.

Sie scheint dabei zumindest zum Teil aus ihrem eigenen Hintergrund zu schöpfen, stammt sie doch wie ihre Protagonisten, die Familie Yoo, aus einer südkoreanischen Familie, die in die USA emigrierte. Der Roman beginnt mit einem Unglück: Familie Yoo betreibt das Miracle Submarine, das mit einer Überdruck-Sauerstofftherapie Heilung oder zumindest Linderung für zahlreiche Leiden in Aussicht stellt. Doch diese Therapie ist nicht unumstritten. Als eine Gruppe Demonstrantinnen aufläuft, kommt es zu einer Explosion. Zwei Patienten sterben.
Doch wie kam es zu dem Unglück? Mit Elizabeth, der Mutter eines autistischen Jungen, der der Explosion zum Opfer fiel,scheint schnell eine Schuldige gefunden. Mit großer Spannung bin ich dem Mordprozess gegen Elizabeth gefolgt, den die Autorin zum Anlass nimmt, in immer erhellenden Rückblicken zu zeigen, dass tatsächlich beinahe jeder der an dem Unglück Beteiligten hier etwas zu verbergen hat.
Das ist wirklich packend umgesetzt. Zudem schafft es der Roman, einige wirklich belastende Themen, wie die Überforderung der Mütter behinderter Kinder und die Nöte von Einwanderern so zu verpacken, dass sie einen spannenden Stoff liefern, ohne zu überfordern oder aber ins Triviale abzugleiten.

Obwohl ich schon ca. ab der Hälfte des Buches ahnte, wer die Explosion verursacht hat, ist die dahinter stehende Geschichte so verwickelt, dass es für mich in keiner Weise langweilig wurde. Der Spannungsbogen konnte für mich auf den über 500 Seiten also bis zum Ende gehalten werden.
Angie Kim schildert die Entwicklung durch die Augen einiger Figuren, die durchweg plastisch gestaltet sind und fast gleichrangig nebeneinander stehen. Dadurch habe ich keine wirkliche Identifikationsfigur gefunden und etwas weniger mitgelitten. Bei den schweren Schicksale, die geschildert wurden, ist dies aber nicht unbedingt als Nachteil zu werten.

signalhill


Genau mein Genre

Genau mein Genre
"Miracle Creek" von Angie Kim ist wahrhaftig ein leuchtendes Buch, wie man bereits auf dem Cover lesen kann. Das Buch selbst ist wunderschön, mit leuchtenden goldenen Punkten auf dem Cover. Das Cover ist zwar wenig aussagekräftig, fällt aber dennoch sofort ins Auge. Die Schrift selbst könnte für mich etwas größer sein, aber dann wäre der Band möglicherweise zu dick geworden.

Was mir gut gefällt, ist, dass Angie Kim viel von ihrer eigenen Biographie in den Roman gepackt hat, so z.B. die Arbeit mit dem Sauerstofftank, die Immigration nach Amerika und den Umzug in einen kleinen Ort, von dem man sich so viel versprach. Ich habe mich selbst wieder gefunden in der Beschreibung der Einwohner von Miracle Creek, die schon seit Generationen dort leben und kaum zugänglich sind. So schreibt Kim auf S. 24/25: "Miracle Creek war eine Insel [...]. Young dachte, sie bräuchten bloß etwas länger, um aufzutauen, [...]. Im Laufe der Zeit begriff Young aber, dass die Familie nicht nett war, sondern auf höfliche Weise unfreundlich." Ähnliches habe ich auch schon erlebt und kann dies gut nachvollziehen, und ganz sicher spricht die Autorin hier von ihren eigenen Erfahrungen.

Die Geschichte mit viel amerikanischem Kleinstadt-Lokalkolorit hat viele Facetten und ist gut und eher ungewöhnlich konstruiert, denn der Leser verfolgt den Prozess - die einzelnen Prozesstage - und dies immer wieder aus anderen Perspektiven. Dabei ist es nicht von Bedeutung, wenn man hier schon etwas vorhersehen kann. Aber schon im Kapitel "Der Vorfall" glaubt man ja erst einmal schon alles zu wissen.

Der Inhalt des Buches ist schnell zusammengefasst: Nach der Explosion eines Sauerstofftanks zur Heilung verschiedener Krankheiten scheint die Verantwortliche für den Tod zweier Menschen sofort klar zu sein - die Mutter eines toten Jungen. Aber so ganz einfach ist die Sache nicht. Der Prozess enthüllt sehr viel über die Stadt Miracle Creek und ihre Bewohner. Und diese Enthüllungen sind das, was ich wirklich spannend fand, aber das Buch ist nicht in erster Linie ein Krimi oder Thriller, sondern ein gelungenes Mixgenre.

Die Autorin Angie Kim werde ich auf jedem Fall im Auge behalten und vergebe hier mindestens 4,5 Sterne. Manchmal ist "Miracle Creek" auch etwas lang, aber ein toller Roman ganz nach meinem Geschmack.